Nach einem Jahr inten­siver Planungs­arbeit war es am 23.04.2022 endlich so weit: Rund 30 Teilneh­mende haben sich zum Fachtag „Geschlecht­liche Vielfalt in der Gesund­heits­ver­sorgung” im Bildungs- und Veran­stal­tungs­zentrum des Klinikums Braun­schweig einge­funden. Der Fachtag war eine Koope­ration von Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V. (IMeV), der Koordi­na­ti­ons­stelle LSBTI der Stadt Braun­schweig, dem Verein für Sexuelle Emanzi­pation, SCHLAU Braun­schweig sowie der Landes­fach­stelle Trans* und der Landes­ko­or­di­nation Inter* im Queeren Netzwerk Nieder­sachsen. Dank der Bandbreite der Organi­sie­renden gelang es, verschiedene Themen der TIN-Gesund­heits­ver­sorgung mit einschlä­gigen Referie­renden zu disku­tieren. Der Fokus lag auf der Sensi­bi­li­sierung für trans* und nicht-binäre, sowie für inter* Belange in der Gesund­heits­ver­sorgung. Einge­laden waren Personen aus dem medizi­ni­schen und Gesund­heits­be­reich, z.B. Therapeut*innen, Ärzt*innen und Krankenhaussozialarbeiter*innen. Insbe­sondere dieser inter­dis­zi­plinäre Austausch machte die Veran­staltung zu einem vollen Erfolg! 

 

Das Programm wurde mit Grußworten von Charlotte Wunn, erste*r Vorsitzende*r von IMeV, Heiger Scholz, Staats­se­kretär des Nieder­säch­si­schen Minis­te­riums für Soziales, Gesundheit und Gleich­stellung sowie Martin Klock­gether, Fachbe­reichs­leiter Gesundheit und Soziales der Stadt Braun­schweig, eröffnet. Den thema­ti­schen Einstieg gab Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg mit einer Keynote zur Frage, was Geschlecht eigentlich ist und wie die Situation von trans*, inter* und nicht-binären Personen in Deutschland derzeit aussieht. Hierbei stellte er zu einem die biolo­gische Realität geschlecht­licher Vielfalt in den Vorder­grund, legte aber auch dar, dass trans*, inter* und nicht-binäre Menschen mit starken gesell­schaft­lichen Wider­ständen konfron­tiert sind. Vor allem in Bezug auf die hohen Raten von Selbst­ver­letzung und Suizid(versuchen) formu­liert Voß die Frage „Wie kann eine Gesell­schaft sich weiter­ent­wi­ckeln, damit auch trans* und inter* Personen sich vorstellen können in ihr zu leben?“. 

 

Ursula Rosen, zweite Vorsit­zende von IMeV und Robin Ivy Osterkamp von der Landes­fach­stelle Trans* im QNN widmeten sich der Frage, ob ein Paradig­men­wechsel in der Betrachtung von geschlecht­licher Vielfalt in der Gesund­heits­ver­sorgung abzusehen ist oder sogar schon statt­findet. Dazu stellten sie aktuelle Studien und Projekte vor die sich der Gesundheit von trans*, inter* und nicht-binären Menschen widmen. Hierbei fiel der Blick auf die gesell­schaftlich steigende Akzeptanz von trans*, inter* und nicht-binären Personen, aber auch auf den Abbau der Patho­lo­gi­sierung in Form von libera­leren Leitlinien, Verän­de­rungen von Bezeich­nungen sowie Reeva­luation der Behand­lungs­be­dürf­tigkeit. Leider mangelt es in vielen Bereichen der Gesund­heits­ver­sorgung noch immer an Wissen von und über trans*, inter* und nicht-binäre Personen. Dadurch entstehen lange Reisen zu Spezialist*innen, Warte­zeiten sowie Druck und Ablehnung in allen Bereichen des Gesund­heits­systems. Das führt dazu, dass sich diese Menschen in medizi­ni­schen Kontexten nicht sicher fühlen und sie meiden. Diese Vermei­dungs­stra­tegie bezahlen viele trans*, inter* und nicht-binären Menschen mit ihrer Gesundheit. Die Unsicher­heiten und Grenz­ver­let­zungen im Gesund­heits­system schil­derten Charlotte Wunn, Robin Ivy Osterkamp und Anjo Kumst von IMev in persön­lichen Erfah­rungs­be­richten. Leider ist die Medizin weiterhin oft binär gedacht und alles was nicht in diese engen Defini­tionen passt, wird schnell patho­lo­gi­siert und soll normiert werden. Deshalb fällt das Plädoyer eindeutig aus:  Mediziner*innen müssen Menschen in ihrer Indivi­dua­lität, ihren Bedürf­nissen und Wissen über den eigenen Körper ernst nehmen. 

 

Nach einer Mittags­pause gingen die Teilneh­menden in zwei Workshop­p­hasen, in denen sie die Chance hatten, sich in sechs verschie­denen Workshops weiter­zu­bilden. In diesen Workshops ging es bspw. um den adäquaten Umgang mit jungen trans* und inter* Personen, mit Eltern von inter­ge­schlecht­lichen Kindern, queeren Schwan­ger­schaften aber auch um die sexuelle Gesundheit von trans*, inter* und nicht-binären Menschen. In einer abschlie­ßenden Podiums­dis­kussion disku­tierten die Referie­renden zur Frage: “Was brauchen wir für eine ideale Gesund­heits­ver­sorgung von trans*, inter* und nicht-binären Menschen?”. Fazit war, dass wir stets zweigleisig fahren müssen: Auf der einen Seite müssen mit Regeln, Verord­nungen, Leitlinien und Gesetzen trans*, inter* und nicht-binäre Menschen geschützt werden. Aber das alleine genügt nicht, sondern es braucht einen umfas­senden Sinnes­wandel mit einer Entpa­tho­lo­gi­sierung, sowie ein weiteres Streiten um gesell­schaft­liche Akzeptanz.  

 

In den nächsten Wochen wird eine ausführ­liche Dokumen­tation des Fachtages folgen. 

 

Die Veran­staltung wurde von der BARMER, dem Verein Nieder­säch­si­scher Bildungs­in­itia­tiven, Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V., dem Queeren Netzwerk Nieder­sachsen e.V. und vom Nieder­säch­si­schen Minis­terium für Soziales, Gesundheit und Gleich­stellung gefördert. 

Die Landes­ver­ei­nigung für Gesundheit und Akademie für Sozial­me­dizin Nieder­sachsen e. V. bringt viertel­jährlich die Zeitschrift Impu!se für Gesund­heits­för­derung in Nieder­sachsen heraus. In der April­ausgabe 2022 zum Thema „Gesundheit rund um die Geburt – Perspek­tiven, Erfor­der­nisse, Barrieren“ findet sich ein Beitrag der Landes­ko­or­di­nation Inter* mit dem Titel „Inter­ge­schlecht­lichkeit ja bitte – eine gesunde Einstellung“. Die Autor*innen — Anjo Kumst, Vorstands­mit­glied bei Inter­ge­schlecht­liche Menschen Landes­verband Nieder­sachsen e. V. und Michael Rogenz, Landes­ko­or­di­nation Inter* im QNN — betonen, dass „der Körper nicht automa­tisch einen Hinweis auf die geschlecht­liche Identität eines Kindes gibt. Daraus folgt: Die einzige Antwort auf die Frage »Was ist es denn?« kann nur sein »Das
wissen wir erst, wenn das Kind sprechen kann.«“

Die Plakat-Kampagne „Ich bin Inter* — Sieht man doch“ ging im März 2022 in die dritte Runde. Nachdem die gelben Plakate im letzten Jahr in Hannover und Braun­schweig zu sehen waren, waren sie im gesamten März an verschie­denen Plakat­wänden in Gifhorn und Umgebung zu sehen sein. Auf den Plakaten zeigen sich mehrere inter­ge­schlecht­liche Personen und auf der Kampagnen-Website stellen sie sich vor: https://im-nds-ev.de/ichbininter

Die Plakat-Kampagne soll die Sicht­barkeit inter­ge­schlecht­licher Menschen erhöhen und darauf aufmerksam machen, dass allein in Nieder­sachsen ca. 20.000 inter­ge­schlecht­liche Menschen leben. In den vergan­genen Jahrzehnten wurden inter­ge­schlecht­liche Menschen durch medizi­nische Maßnahmen unsichtbar gemacht. Inter­ge­schlecht­liche Körper sollten mit Opera­tionen und Normie­rungs­druck angepasst werden, weil es in einer binär geord­netet Welt neben Mann und Frau nichts geben durfte. Das im März 2021 verab­schiedete Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der geschlecht­lichen Entwicklung verbietet Opera­tionen, die nur ein männliches oder weibliches Normge­schlecht herstellen sollen. Damit wird die struk­tu­relle Unsicht­bar­ma­chung inter­ge­schlecht­licher Menschen endlich beendet. Das gibt inter­ge­schlecht­lichen Menschen die Möglichkeit endlich sichtbar zu sein.

Die Plakat-Kampagne wurde am 10.3.2022 auf dem Markt­platz in Gifhorn eröffnet. Neben Dominik Ruder (Vereins­leitung des Queeren Netzwerk Gifhorns) und Vertreter*innen von Inter­ge­schlecht­liche Menschen Landes­verband Nieder­sachsen e.V., hielten auch der Bürger­meister Matthias Nerlich und Kreisrat Rolf Amelsberg Reden. Für inter­es­sierte Passant*innen war ein Infotisch mit verschie­denen Infor­ma­tionen zum Thema Inter­ge­schlecht­lichkeit aufgebaut.

 

Im Januar 2021 stellte die Landtags­fraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine Große Anfrage zur Umsetzung des Urteils des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes zur “Dritten Option” in Regierung, Minis­terien und Verwaltung Landes Nieder­sachsen.

Ziemlich genau ein Jahr später wurde die Antwort des Nieder­säch­si­schen Minis­te­riums für Soziales, Gesundheit und Gleich­stellung veröf­fent­licht. Die gesamte Anfrage mit den Antworten ist hier zu finden.

Am 24.2. wird zwischen ca. 15.30 und 16.30 Uhr die große Anfrage im Landtag disku­tiert, die komplette Tages­ordung ist hier zu finden. Die Plenar­tagung kann vor Ort oder im Live-Stream des Landtages verfolgt werden. Später steht eine Aufzeichnung der Debatte im Plenar TV zur Verfügung. Hier gibt es weitere Infor­ma­tionen zum Verfolgen der Debatte.

Die Landes­ko­or­di­nation Inter* im QNN und Inter­ge­schlecht­liche Menschen Landes­verband Nieder­sachsen e.V. (IMLVNDSeV) hat die Beant­wortung der Großen Anfrage im Folgenden nach selbst gewählten Kategorien zusam­men­ge­fasst und kommen­tiert:

Recht­liche und gesell­schaft­liche Anerkennung

Antwort der Landes­re­gierung (zusam­men­ge­fasst):

Die Landes­re­gierung wirkt aktiv darauf hin, dass bei allen Änderungen von Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften auch eine Prüfung auf Geschlech­ter­ge­rech­tigkeit vorge­nommen wird. Das schließt die Anerkennung von geschlecht­licher Vielfalt mit ein. Der Beant­wortung der einzelnen Fragen stellt für Landes­re­gierung voran: „Die Aufklä­rungs­arbeit – insbe­sondere auch zu den Unter­schieden der Begriff­lich­keiten trans* und inter* — ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ein langer Prozess. Die Landes­re­gierung ist bestrebt, eine Sensi­bi­li­sierung für diese Themen voran­zu­bringen und die gesell­schaft­liche und politische Akzeptanz von mehr als zwei Geschlechtern auszu­bauen. Daher ist sie konti­nu­ierlich bestrebt, in allen maßgeb­lichen Bereichen die unter­schied­lichen Geschlech­ter­per­spek­tiven einzu­be­ziehen und damit der Lebens­wirk­lichkeit einer Vielzahl geschlecht­licher Identi­täten Rechnung zu tragen.“[1] Ferner wird verdeut­licht dass die Akzeptanz geschlecht­licher Vielfalt und das Durch­brechen binärer Vorstel­lungen von Geschlecht nicht nur durch recht­liche Vorschriften erfolgt kann, sondern ein inten­siver gesell­schaft­licher Prozess ist, den die Landes­re­gierung bestmöglich unter­stützen möchte.

Kommentar:

Wir begrüßen das Engagement der Landes­re­gierung zur Aufklä­rungs­arbeit und Sensi­bi­li­sierung. Die Landes­ko­or­di­nation Inter* im QNN und IMLVNDSeV freuen sich auf die weitere Zusam­men­arbeit.

Verwal­tungs­tech­nische Umsetzung der Dritten Option

Antwort der Landes­re­gierung (zusam­men­ge­fasst):

In einigen Bereichen (z.B. Pass- und Melde­recht) wurden durch recht­liche Anpas­sungen die Änderungen des Perso­nen­stands­rechts vorge­nommen. Die Umsetzung ist nicht abgeschlossen, sondern wird als konti­nu­ier­licher Prozess angesehen. Die Komple­xität der Verwal­tungs­struk­turen verlangt viel Geduld und auch die techni­schen Umset­zungen von IT-Systemen braucht Zeit: „Darüber hinaus ist der Bedarf an interner — wie auch an externer – Aufklä­rungs­arbeit im Kontext „Inter­ge­schlecht­lichkeit“ noch sehr hoch, sodass über den Abschluss der Umsetzung keine Prognose gegeben werden kann.“[2]

Kommentar:

Wir stimmen zu dass bei der Aufklä­rungs­arbeit im Kontext Inter­ge­schlecht­lichkeit noch viel Arbeit notwendig ist und stehen als Koope­ra­tions- und Ansprechpartner*innen für Schulungen, Workshops, etc. zur Verfügung.

Sprache

Antwort der Landes­re­gierung (zusam­men­ge­fasst):

„In allen Bereichen des öffent­lichen Dienstes ist einer Geschlech­ter­dis­kri­mi­nierung durch geschlech­ter­ge­rechte Sprache und Darstellung aktiv entge­gen­zu­wirken.“[3] In der schrift­lichen und mündlichen Kommu­ni­kation der Verwaltung werden zunehmend geschlechts­neu­trale Formu­lie­rungen verwendet um auch Menschen, die sich nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen, anzusprechen. Die sprach­liche Inklusion jenseits der Binarität von männlich und weiblich ist jedoch noch nicht verankert, sondern „[f]ür die Landes­re­gierung gilt die Anwendung/Beachtung des Beschlusses des Landes­mi­nis­te­riums (heute Landes­re­gierung) über Grund­sätze für die sprach­liche Gleich­be­handlung von Frauen und Männern in der Rechts­sprache vom 09.07.1991 (Nds. MBl. S. 911). Die sprach­liche Inklusion weiterer Geschlechter jenseits der Binarität ist hier nicht verankert.“[4]

Kommentar:

Hier sehen wir dringenden Nachhol­bedarf und fordern die verbind­liche Veran­kerung einer geschlech­ter­ge­rechten Sprache, die alle Geschlechter berück­sichtigt, z.B. durch möglichst geschlechts­neu­trale Formu­lie­rungen und/oder die Verwendung des „Gender-Stern­chens“. Diese Regelung sollte im gesamten Verwal­tungs­handeln, sowie der Kommu­ni­kation nach innen und außen gelten.

Statis­tische Erhebungen

Antwort der Landes­re­gierung:

„Eine Aussage zu der Anzahl der Personen in Nieder­sachsen, welche sich biolo­gisch weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, lässt sich nicht eindeutig treffen. Die wissen­schaft­lichen Schät­zungen variieren zwischen 0,02 % und 1,7 % der Bevöl­kerung.“[5]

Kommentar:

Aufgrund der Vielzahl unter­schied­licher Varianten der geschlecht­lichen Entwicklung und des häufig unbekannten inter­ge­schlecht­lichen Poten­tials gibt es zur Frage wie viele inter­ge­schlecht­liche Menschen in Nieder­sachsen leben nur Schät­zungen. Da eine Änderung des Geschlechts­ein­trages aufgrund §45b PStG freiwillig ist, lässt auch das keine Rückschlüsse auf die Anzahl der in Nieder­sachsen lebenden Menschen mit inter­ge­schlecht­lichem Potential zu. Zur vertie­fenden Lektüre empfehlen wir „FAKTEN ZU INTER­GE­SCHLECHT­LICHKEIT – Mit welcher Identität und welchem Perso­nen­stands­eintrag leben inter­ge­schlecht­liche Menschen?“

IMLVNDSeV würde sich eine fundierte Erhebung von Seiten des statis­ti­schen Landes­amtes wünschen, gerne in Zusam­men­arbeit mit dem Queeren Netzwerk Nieder­sachsen (QNN) und IMLVNDSeV.

Aufklärung und Beratung

Antwort der Landes­re­gierung (zusam­men­ge­fasst):

Die Landes­re­gierung fördert die Beratungs- und Aufklä­rungs­arbeit zu Inter­ge­schlecht­lichkeit über die Landes­ko­or­di­nation Inter*, einem Koope­ra­ti­ons­projekt vom QNN und IMLVNDSeV. Die Landes­ko­or­di­nation Inter* bietet Workshops an, berät Organi­sa­tionen, koordi­niert Kampagnen und vernetzt relevante Akteure in Nieder­sachsen. IMLVNDSeV führt Beratungen durch und koordi­niert die inter­ge­schlecht­liche Selbst­hilfe in Nieder­sachsen. Auch der Verein für sexuelle Emanzi­pation in Braun­schweig bietet ehren­amt­liche Erstbe­ra­tungen an. Bundesweit ist die inter­ge­schlecht­liche Peerbe­ratung für inter­ge­schlecht­liche Menschen und deren Angehörige erreichbar. Die bundes­weite Beratungs­stelle zum Themen­be­reich Inter­ge­schlecht­lichkeit von Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V. (IMEV) berät inter­ge­schlecht­liche Personen und deren Angehörige, vermittelt Kontakte und ist für Presse­an­fragen sowie Beratungen für verschiedene Organi­sa­tionen und Insti­tu­tionen zuständig.

Kommentar:

In den letzten Monaten und Jahren hat das Interesse am Thema Inter­ge­schlecht­lichkeit enorm zugenommen. Das liegt an der erhöhten Sicht­barkeit des Themas im öffent­lichen Diskurs und an dem erhöhten Interesse an queeren Themen generell. Deshalb halten wir einen Ausbau der Förderung von Aufklä­rungs- und Beratungs­arbeit in Nieder­sachsen und bundesweit für dringend erfor­derlich. Zudem hat das neue Kinder- und Jugend­stär­kungs­gesetz ein flächen­de­ckendes Beratungs­an­gebot für Kinder und Jugend­liche sowie deren Eltern oder Sorge­be­rech­tigten gesetzlich festge­schrieben.  Mehr Infor­ma­tionen dazu sind hier zu finden: „Fakten zu Inter­ge­schlecht­lichkeit #6: Inklusiv und diffe­ren­ziert: Das Kinder- und Jugend­stär­kungs-gesetz und seine erwei­terte Geschlech­ter­per­spektive“.

Medizi­ni­sches Personal

Antwort der Landes­re­gierung:

Die S2k-Leitlinie „Varianten der Geschlechts­ent­wicklung[6] besagt, dass unter Varianten der Geschlechts­ent­wicklung defini­ti­ons­gemäß Diagnosen zusam­men­ge­fasst werden, „bei denen die Geschlechts­chro­mo­somen, das Genitale oder die Gonaden inkon­gruent sind.“[7]

Kommentar:

Die S2K-Leitlinie empfiehlt u.a. den Verweis an die inter­ge­schlecht­liche Peerbe­ratung und Selbst­hilfe für alle Menschen mit Varianten der geschlecht­lichen Entwicklung und Eltern inter­ge­schlechtlich geborener Kinder. Leider ist diese Leitlinie noch immer zu wenig bekannt unter medizi­ni­schem Personal und darüber hinaus nicht verpflichtend. Wir fordern die Schaffung verbind­licher „Standards of Care“ unter Einbezug inter­ge­schlecht­licher Personen und deren Organi­sa­tionen. Die Aufklärung und Schulung von medizi­ni­schem Personal muss dringend erhöht werden. Insbe­sondere Hebammen und Geburtshelfer*innen sind eine wichtige Zielgruppe, denn sie sind die oft die ersten die die Inter­ge­schlecht­lichkeit eines Kindes feststellen. Daher haben sie einen großen Einfluss darauf, wie belastet der gemeinsame Start von Eltern und Kind ggf. ist. Deshalb begrüßen wir sehr, dass die Landes­re­gierung im Kontext der Akade­mi­sierung der Geburts­hilfe die Vermittlung von Grund­wissen zu Inter­ge­schlecht­lichkeit bei dieser Berufs­gruppe anstrebt.[8] Die Landes­ko­or­di­nation Inter* im QNN und IMLVNDSeV unter­stützen dabei mit ihrer Fachex­pertise. Weitere Infor­ma­tionen speziell für Hebammen und Geburtshelfer*innen sind in der Broschüre „Was ist es denn?“ von IMeV und IMLVNDSeV zu finden.

Schule

Antwort der Landes­re­gierung (zusam­men­ge­fasst):

Die Landes­re­gierung strebt an durch die Lehrkräf­te­fort­bildung das Wissen über Inter­ge­schlecht­lichkeit bei Lehrper­sonal zu erhöhen.[9]

Kommentar:

Das begrüßen wir ausdrücklich, denn die Schule ist ein wichtiger Sozia­li­sa­ti­onsort für Kinder und Jugend­liche, die dort oft einem großen Normie­rungs­druck ausge­setzt sind. Aufgrund des gesetz­lichen OP-Verbotes ist davon auszu­gehen, dass in den nächsten Jahren vermehrt offen inter­ge­schlechtlich lebende Kinder und Jugend­liche in die Schule kommen. Darauf müssen die Schulen vorbe­reitet sein! Die Landes­ko­or­di­nation Inter* und IMLVNDSeV stehen für Unter­stützung zur Verfügung. Das Bildungs- und Antidis­kri­mi­nie­rungs­projekt SCHLAU Nieder­sachsen veröf­fent­licht demnächst in Koope­ration mit der Landes­ko­or­di­nation Inter* und der Landes­fach­stelle Trans* im QNN die Broschüre „Geschlecht­liche Vielfalt im Klassen­zimmer“ und kann für Workshops angefragt werden. Wertvolle Infor­ma­tionen enthält auch die Publi­kation „FAKTEN ZU INTER­GE­SCHLECHT­LICHKEIT Schule „divers“ denken: Anregungen und Beispiele für Unter­richt und Schul­alltag“.

Antwort der Landes­re­gierung:

„Gleichwohl besteht bei der Kommission Sport der Kultus­mi­nis­ter­kon­ferenz eine Arbeits­gruppe „Drittes Geschlecht und Sport­un­ter­richt“, der die Bundes­länder Baden-Württemberg, Bayern, Nieder­sachsen und Sachsen-Anhalt angehören. Diese plant einen Fachtag, der dazu führen soll, mehr Expertise bei den Entschei­dungs­trä­ge­rinnen und Entschei­dungs­trägern der Bundes­länder zu erzeugen, um gegebe­nen­falls bei Bedarf sachge­rechte Einzel­fall­lö­sungen zu erzielen.“[10]

Kommentar:

Diese Initiative begrüßen wir ausdrücklich, denn besonders der Sport­un­ter­richt ist ein schwie­riger Ort für inter­ge­schlecht­liche Schüler*innen: Für Umkleide- und/oder Dusch­mög­lich­keiten, sowie die Bewertung – die im Sport­un­ter­richt in der Regel nach binären Mustern erfolgt – müssen Regelungen für indivi­duelle Einzel­lö­sungen gefunden werden.

Antwort der Landes­re­gierung:

„Vorschriften wie z. B. die Arbeits­stät­ten­ver­ordnung sind im Sinne der Rechts­si­cherheit anzupassen.“[11]

Kommentar:

Diese Forderung der Landes­re­gierung begrüßen wir ebenfalls ausdrücklich, denn die Arbeits­stät­ten­ver­ordnung gilt auch für Schulen und schreibt nur binär getrennte Sanitär­an­lagen vor. Ob Toiletten für alle angelegt oder ausge­schrieben werden, liegt im Ermessen der Schule, bzw. der Arbeits­stätte. Da insbe­sondere Sanitär­an­lagen Orte sind an denen inter­ge­schlecht­liche Menschen vermehrt Diskri­mi­nie­rungen erleben, wäre hier Rechts­si­cherheit durch Anpassung notwendig.

OP-Verbot

Antwort der Landes­re­gierung:

„Die Landes­re­gierung möchte zukünftige Übergriffe verhindern und begrüßt daher die aktuellen Entwick­lungen zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechts­ent­wicklung.“[12]

Kommentar:

Dieses Statement begrüßen wir ausdrücklich. Viele inter­ge­schlecht­liche Kinder wurden in den letzten Jahrzehnten medizi­nisch nicht notwen­digen Eingriffen unter­zogen. Diese medizi­ni­schen Maßnahmen waren schwere Menschen­rechts­ver­let­zungen, denn sie wider­sprechen dem Recht auf körper­liche Unver­sehrtheit, sowie dem Recht auf geschlecht­licher und sexueller Selbst­be­stimmung. Die wesent­liche aktuelle Entwicklung in diesem Kontext ist das im März 2021 verab­schiedete „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechts­ent­wicklung“ (§1631 e BGB). Dieses Gesetz verbietet medizi­nische Maßnahmen, die nur dazu dienen, ein körperlich männliches oder weibliches Normge­schlecht herzu­stellen. Leider bietet das Gesetz noch einige Schutz­lücken durch Umgehungs­mög­lich­keiten (mehr Infos dazu sind in dieser Presse­mit­teilung von ImeV zu finden). Laut Koali­ti­ons­vertrag der Bundes­re­gierung sollen diese aber beseitigt werden. Der Schutz, den das gesetz­liche OP-Verbot nun bietet, kommt für die Betrof­fenen der Eingriffe aus den letzten Jahrzehnten zu spät.

Antwort der Landes­re­gierung:

„Eine finan­zielle Entschä­digung kann die Erleb­nisse und Eingriffe in die Selbst­be­stimmung der betrof­fenen Menschen nicht rückgängig machen. Eine Diskussion zur Forderung eines Entschä­di­gungs­fonds auf nieder­säch­si­scher Ebene findet zum aktuellen Zeitpunkt nicht statt.“[13]

Kommentar:

Diese Aussage der Landes­re­gierung bedauern wir sehr. Natürlich kann erfah­renes Leid nicht rückgängig gemacht werden. Doch wir fordern eine Entschä­digung aus anderen Gründen: Viele inter­ge­schlecht­lichen Menschen wurden durch die medizi­nisch nicht notwen­digen Eingriffe an Körper und Seele verletzt. Diese Verlet­zungen führten in vielen Fällen zu Schwer­be­hin­de­rungen und abgebro­chenen Erwerbs­leben mit massiven finan­zi­ellen Einbußen. Hier sehen wir auch eine staat­liche Verant­wortung für das erfahrene Leid, denn die Kritik von Selbst­or­ga­ni­sa­tionen an den medizi­nische Maßnahmen wurde in der Vergan­genheit ignoriert. Wir fordern, dass die medizi­ni­schen Maßnahmen und deren Folgen als Unrecht anerkannt und finan­ziell entschädigt werden. Wir begrüßen daher sehr den Koali­ti­ons­vertrag der Bundes­re­gierung, welcher die Einrichtung eines Entschä­di­gungs­fonds für inter* und trans *geschlecht­liche Personen, die aufgrund früherer Gesetz­gebung von Körper­ver­let­zungen betroffen waren. Wir wünschen uns eine klare Positio­nierung der Landes­re­gierung für dieses Vorhaben.

Personenstandsgesetz/Selbst­be­stim­mungs­gesetz

Antwort der Landes­re­gierung:

„Nach einem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts im Oktober 2017 (- 1 BvR 2019/16 -) und einer darauf folgenden Änderung des Perso­nen­stands­ge­setzes wurde neben den Geschlechts­ka­te­gorien „männlich“ und „weiblich“ die sogenannte Dritte Optiondivers“ beim Geschlechts­eintrag ermög­licht. Seither gibt es für Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, die Möglichkeit, die Kategorie „divers“ in das Perso­nen­stands­re­gister eintragen zu lassen. Die Möglichkeit, keinen Geschlechts­eintrag vorzu­nehmen, bleibt davon unberührt. Auch der Vorname kann entspre­chend geändert werden. Voraus­setzung ist jedoch ein ärztliches Attest zur Feststellung einer „Variante der Geschlechts-entwicklung“ oder unter bestimmten Voraus­set­zungen eine Erklärung an Eides statt.“[14]

Kommentar:

Wir lehnen die Patho­lo­gi­sierung durch das ärztliche Attest ab und wünschen uns von der Landes­re­gierung die aktive Unter­stützung des im Koali­ti­ons­vertrag der Bundes­re­gierung verab­schie­deten Selbst­be­stim­mungs­ge­setzes. Wir hoffen, dass dieses Selbst­be­stim­mungs­recht seinem Namen gerecht wird! Das wird es nur wenn es zukünftig möglich sein wird, dass alle Menschen selbst­be­stimmt ihren Geschlechts­eintrag und ihren Vornamen ändern können.

 

Leider wurde einige Themen in der Großen Anfrage nicht behanldet, sind jedoch aus unserer Sicht sehr wichtig. Deshalb sollen sie an dieser Stelle mit aufge­nommen werden:

Alter

Aufgrund der Erfah­rungen mit medizi­ni­schen Einrich­tungen gibt es teilweise große Vorbe­halte gegenüber Pflege­ein­rich­tungen. Im schlimmsten Fall kann eine unsen­sible, uninfor­mierte Betreuung und Pflege zu Retrau­ma­ti­sie­rungen führen. Es braucht beim Pflege­per­sonal spezielle Expertise für eine sensible Betreuung und Pflege inter­ge­schlecht­licher Menschen. Wir wünschen uns Standards zur Aus‑, Fort- und Weiter­bildung bei Pflege­per­sonal und Anbieter*innen von Pflege­plätzen. Einzelne Projekte – wie „Queer im Alter – Öffnung der Alten­pfle­ge­ein­rich­tungen für die Zielgruppe LSBTIQ*“ haben bereits wichtige Ergeb­nisse erzielt und wertvolle Publi­ka­tionen erarbeitet. Diese müssen aber auch in den Einrich­tungen ankommen. Die Publi­kation „Fakten zu Inter­ge­schlecht­lichkeit #5: Wie können inter­ge­schlecht­liche Menschen in Pflege­ein­rich­tungen gut versorgt werden?“ bietet dazu wertvolle Infor­ma­tionen.

Gleich­be­handlung und Antidis­kri­mi­nierung

Das Nieder­säch­sische Gleich­be­rech­ti­gungs­gesetz (NGG) ist noch immer binär struk­tu­riert da es um die Gleich­be­rech­tigung von Männern und Frauen geht. Hier wird dringender Handlungs­bedarf gesehen denn inter­ge­schlecht­liche Menschen erfahren Diskri­mi­nierung aufgrund des Geschlechts und sind von einer Gleich­be­rech­tigung aufgrund ihres Geschlechtes weit entfernt. Auch wenn immer mehr (kommunale) Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte auch die Belange und Bedarfe inter* und trans*geschlechtlicher Menschen bearbeiten, fehlt hier eine klare Regelung wer in den Kommunen für Fragen der geschlecht­lichen Vielfalt ansprechbar ist. Hier wünschen wir und Klarheit und klar definierte Ansprech­per­sonen.

Sport

Breiten- und Leistungs­sport sind größten­teils binär aufge­teilt in Männer- und Frauen­teams, sowie Bewer­tungs­systeme und Leistungs­ta­bellen die in Männer und Frauen unter­teilt sind. Hier wünschen wir uns mehr Initiative, um nicht-binäre Konzepte und Ideen für den Breiten- und Leistungs­sport zu entwi­ckeln und zu fördern.

Kita

Analog zur Schule werden aufgrund des gesetz­lichen OP-Verbotes auch Kitas in den folgenden Jahren vermehrt von inter­ge­schlecht­liche Kinder besucht werden. Hier wünschen wir uns von der Landes­re­gierung eine klare Positio­nierung für eine verstärkte Aufnahme des Themas in Aus‑, Fort- und Weiter­bildung von Erzieher*innen.

Sicht­barkeit

Durch die Opera­tionen und den Geschlechts­eintrag, der bis vor wenigen Jahren nur binär möglich war, wurden inter­ge­schlecht­liche Menschen struk­turell unsichtbar gemacht. In einer streng binären Gesell­schaft durfte es Inter­ge­schlecht­lichkeit nicht geben. Deshalb sind wir sehr froh über die gesetz­lichen Änderungen wie dem OP-Verbot. Damit wurden wichtige Forde­rungen der inter­ge­schlecht­lichen Selbst­hilfe endlich erfüllt. In der Konse­quenz möchten inter­ge­schlecht­liche Menschen endlich sichtbar werden! Wir fordern, dass die Landes­re­gierung Maßnahmen, wie die Kampagne „Ich bin Inter* — Sieht man doch“ weiterhin fördert, um die Sicht­barkeit inter­ge­schlecht­licher Menschen zu erhöhen. Denn nur wenn inter­ge­schlecht­liche Menschen sichtbar sind, können sie von ihren Forde­rungen und Bedarfen berichten. Das ist wichtig, denn wie die Landes­re­gierung in ihrer Antwort auf die große Anfrage mehrfach betont, genügen gesetz­liche Änderungen nicht. Es bracht einen tiefgrei­fenden gesell­schaft­lichen Wandel, der längst begonnen hat, aber lange noch nicht angeschlossen ist. Die Diskri­mi­nierung von inter­ge­schlecht­lichen Menschen ist ein gesamt­ge­sell­schaft­liches Problem, das nur mit dem Verlernen einer strikt zweige­schlecht­lichen Ordnung gelöst werden kann.

 

Kontakt und weiter­füh­rende Infor­ma­tionen

 

[1] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 7.

[2] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 2.

[3] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 2.

[4] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 9.

[5] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 1.

[6] Die S2K-Leitlinie „Varianten der Geschlechts­ent­wicklung“ ist eine konsens­ba­sierte Leitlinie, die von verschie­denen medizi­ni­schen Fachge­sell­schaften und inter­ge­schlecht­lichen Selbst­or­ga­ni­sa­tionen erarbeitet wurde. Sie enthält Empfeh­lungen für die adäquate medizi­nisch-psycho­lo­gische Begleitung von inter­ge­schlecht­lichen Menschen, B. durch den Verweis auf die inter­ge­schlecht­liche Selbst­hilfe und Peerbe­ratung: https://www.aem-online.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/S2k_Geschlechtsentwicklung-Varianten_2016-08_01_1_.pdf

[7] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 6.

[8] Vgl. Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 9.

[9]  Vgl. Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 9.

[10] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 33f.

[11] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 9.

[12] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 11.

[13] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 11.

[14] Große Anfrage mit Antwort der Landes­re­gierung, S. 1.

Virtuelle Veran­stal­tungs­reihe zu Strategien und Handlungs­feldern für einen profes­sio­nellen und diskri­mi­nie­rungs­freien Umgang

In der Wohlfahrts­pflege ist die Vielfalt der Gesell­schaft allge­gen­wärtig. So gehören auch Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter­ge­schlecht­liche und queere Menschen (LSBTIQ*) ganz selbst­ver­ständlich mit dazu. Doch aufgrund von fehlendem Wissen kann es zu Irrita­tionen kommen, die verletzend und diskri­mi­nierend wirken. Wie können Fachkräfte den diskri­mi­nie­rungs­freien und profes­sio­nellen Umgang mit Themen der sexuellen und geschlecht­lichen Vielfalt gewähr­leisten? Dieser Leitfrage gehen wir mit Ihnen in unseren Webtalks nach. Dazu werden wir jeweils nach einem fachlichen Impuls Ihre Fragen und Anregungen zum Thema besprechen.

Mehr Infor­ma­tionen und Möglich­keiten zur Anmeldung sind hier zu finden: https://www.selbstverstaendlich-vielfalt.de/

Am 23.4.2022 findet in Braun­schweig ein Fachtag zur Geschlecht­lichen Vielfalt in der Gesund­heits­ver­sorgung statt. Der Fachtag dreht sich rund um die Frage welche spezi­ellen Bedarfe inter*,  trans* und nicht-binäre Menschen in der Gesund­heits­ver­sorgung haben. Zielgruppen sind medizi­ni­sches Fachper­sonal in Kranken­häusern und Praxen, Psychotherapeut*innen, Hebammen, Rettungs­dienst und Krankenhaussozialarbeiter*innen. Für eine Keynote konnte Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß gewonnen werden. Workshops widmen sich unter­schied­lichen Frage­stel­lungen, z.B. dem sensiblen Umgang mit inter*Menschen und deren Eltern auf der Geburts­station, medizi­ni­scher Transition von trans* Menschen, sensible Betreuung und Begleitung von inter*, trans* und nicht-binären Menschen rund um Schwan­ger­schaft und Geburt, sexuelle Gesundheit von inter*, trans* und nicht-binären Menschen und einiges mehr. Eine Podiums­dis­kussion rundet den Fachtag ab.

 

Veran­staltet und vorbe­reitet wird der Fachtag u.a. von der Koordi­na­ti­ons­stelle LSBTI* der Stadt Braun­schweig, Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V., Inter­ge­schlecht­liche Menschen Landes­verband Nieder­sachsen e.V., Landes­ko­or­di­nation Inter*und Landes­fach­stelle Trans* im Queeren Netzwerk Nieder­sachsen e.V., Verein für sexuelle Emanzi­pation e.V., Braun­schweiger AIDS-Hilfe, SCHLAU Braun­schweig.  

 

Der Fachtag wird voraus­sichtlich in Präsenz statt­finden. Weitere Infor­ma­tionen, sowie ein Flyer folgen in Kürze.  

Das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugend­lichen (KJSG) ist bereits im Juni 2021 in Kraft getreten. Es bewirkt umfas­sende Änderungen im Achten Buch Sozial­gesetz, dem ehema­ligen Kinder- und Jugend­hil­fe­gesetz, u.a. eine stärkere Perspektive auf Selbst­be­stimmung, Teilha­be­ge­rech­tigkeit und Inklusion. Das sind gute Neuig­keiten auch für queere Jugend­liche, denn während im alten Geset­zestext noch von „Gleich­be­rech­tigung von Jungen und Mädchen“ die Rede war, geht es nun um die „unter­schied­lichen Lebens­lagen von Mädchen, Jungen sowie transi­denten, nicht­bi­nären und inter­ge­schlecht­lichen jungen Menschen (…)“. Dadurch sind transident, nicht­binär und inter­ge­schlechtlich Rechts­be­griffe geworden, denn sie sind zum ersten Mal in einem Geset­zestext aufge­taucht.

Einen guten Überblick über diese und weitere Neuerungen im Gesetz bietet die neue Handrei­chung „Fakten zur Inter­ge­schlecht­lichkeit #6: Inklusiv und diffe­ren­ziert: Das Kinder- und Jugend­stär­kungs­gesetz und seine erwei­terte Geschlech­ter­per­spektive“, welches von Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V. im Rahmen des Kompe­tenz­netz­werkes „Selbst.verständlich Vielfalt“ veröf­fent­licht wurde.

Die Lebens­er­wartung inter­ge­schlecht­licher Menschen ist in der Regel so hoch wie die anderer Menschen. Und wie jeder andere Mensch haben sie das Recht, in Würde und selbst­be­stimmt altern zu können. Um ihnen ein selbst­be­stimmtes Leben zu ermög­lichen, sollten ambulante Pflegedienste und das Personal in Senior*inneneinrichtungen sich auf die Bedarfe inter­ge­schlecht­licher Menschen einstellen. Dieses Fakten­papier zeigt Herausfor­de­rungen auf, mit denen inter­ge­schlecht­liche Menschen in Einrich­tungen, speziell in Pflege- und alten­ge­rechten Wohnpro­jekten, konfron­tiert sein können, und bietet Hinweise und Lösungs­an­sätze für die Betreu­enden und Pflegenden.

Alle Fakten­pa­piere sind hier zu finden.

Diese Fortbildung befähigt psycho­so­ziale Berater*innen dazu inter­ge­schlecht­liche Menschen und deren Angehörige kompetent zu beraten. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn Berater*innen das gesell­schaftlich weit verbreitete Bild geschlecht­licher Binarität hinter­fragen und sich emotional auf Berichte inter­ge­schlecht­licher Erfahrungsexpert*innen und deren Angehörige einlassen. So können sie den bislang vorherr­schenden patho­lo­gi­sie­renden und normie­renden Blick auf Inter­ge­schlecht­lichkeit aufgeben. Es werden zudem aktuelle recht­liche Grund­lagen beleuchtet und abschließend verschiedene Beratungs­felder in den Blick genommen.

Zielgruppe der Fortbildung sind Menschen, die bereits profes­sio­nelle Beratung durch­führen und sich für die Beratung von inter­ge­schlecht­lichen Menschen fortbilden möchten.

Weitere Infor­ma­tionen zur Weiter­bildung, sowie Möglich­keiten zur Anmeldung sind in diesem Flyer zu finden.

Die Plakat­kam­pagne „Ich bin Inter*…sieht man doch“ geht in die zweite Runde. Vom 22.10.–1.11.2021 sind die gelben Plakate in Braun­schweig zu sehen. Und dieses Mal sind sie noch weniger zu übersehen, denn insgesamt hängen 30 riesige Plakate auf großen Flächen im gesamten Stadt­gebiet von Braun­schweig. Die Kampagne hat vor allem ein Ziel: Das inter­ge­schlecht­liche Menschen endlich sichtbar werden. Die Plakate sind deshalb ein echter Blickfang, der Menschen zum Anhalten und Infor­mieren motiviert. Denn die Plakate sind nicht nur schön, sondern bieten über einen QR-Code die Möglichkeit sich über Inter­ge­schlecht­lichkeit zu infor­mieren. Alle auf den Plakaten abgebildete Personen stellen sich auf der Kampagnen-Website vor und geben einen kleinen Einblick in die vielfältige Inter*Welt: https://im-nds-ev.de/ichbininter

Diese Infor­ma­ti­ons­ver­mittlung ist sehr wichtig, denn noch immer gibt es viele Mythen und wenig Wissen über Inter­ge­schlecht­lichkeit. „Wie sehen die wohl aus“ mögen sich manche denken und diese Frage beant­wortet das Plakat: So wie Kolleg*innen, Nachbar*innen, Freund*innen, Passant*innen halt aussehen.

Am 27.10., also einen Tag nach dem Intersex Awareness Day, fand eine Presse­kon­ferenz anlässlich des Starts der Kampagne im Rathaus der Stadt Braun­schweig statt. Diese Veran­staltung war hochka­rätig besetzt: Anjo Kumst und Frauke Arndt-Kunimoto (Inter­ge­schlecht­liche Menschen Landes­verband Nieder­sachsen e.V.), Michael Rogenz (Landes­ko­or­di­nation Inter* im QNN), Dr. Christine Arbogast (Sozial‑, Schul‑, Gesund­heits- und Jugend­de­zernat), Jennifer Burmeister (Vorstands­mit­glied im VSE e.V.) und  Mareike Walther (Koordi­na­ti­ons­stelle LSBTI* der Stadt) stellten sich den Fragen der anwesenden Journalist*innen. Heraus­ge­kommen ist dabei u.a. ein sehr ausführ­licher Beitrag auf dem lokalen Radio­sender Okerwelle: https://okerwelle.de/2021/10/28/geschlecht-divers-plakate-klaeren-in-braunschweig-ueber-intergeschlechtliche-menschen-auf/

Im Anschluss hisste Dr. Christine Arbogast als Zeichen der Solida­rität mit inter­ge­schlecht­lichen Menschen die Inter*Pride Flag vor dem Braun­schweiger Rathaus. Viele Menschen aus der queeren Community in Braun­schweig kamen hinzu und machten aus der Veran­staltung einen schwung­vollen Community-Event. Der Runde Tisch LSBTI* in Braun­schweig rundete einen Tag, der ganz im Zeichen der Inter­ge­schlecht­lichkeit stand, ab. Auch hier hat Anjo Kumst die Plakat­kam­pagne vorge­stellt.

Es steht noch nicht fest wo die Kampagne im nächsten Jahr hinwandern wird, aber eins steht fest: Sie wird weiter­gehen. Außerdem gibt es viele Möglich­keiten die Plakate zu zeigen. Dazu braucht es keine großen Events, sondern sie können in den Formaten A3 und A4 unter inter@qnn.de bestellt und in lokalen Biblio­theken, Univer­si­täten, queeren Zentren, etc. aufge­hängt werden. Auch so kann ein kleiner Beitrag für mehr Sicht­barkeit inter­ge­schlecht­licher Menschen geleistet werden.

 

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