Alliiert sein als und für LSBT_IQ* — (wie) geht das?
Es begann wohl in den USA mit dem Begriff „Straight Allies“, heterosexuelle Alliierte. Das sind jene Promis und Wegbegleiter*innen, die nicht „selbst betroffen“ sind und sich strategisch und persönlich einsetzen für eine bessere Lebenssituation les.bi.schwuler Menschen. Der etwas weniger hippe, traditionellere und für alle möglichen Themenfelder genutzte Begriff ist die Solidarität. Aber „Alliiertsein“, das scheint besonders stark mit queeren Menschen und ihren Themen verknüpft zu sein.
In den Buchstaben LSBTI* (oder welche Kombination Dir/euch lieber ist) und allem dazwischen, drumherum und nahbei, liegt manchmal spannungsreiche Mischung aus synergetischer Gemeinschaft und Einander-Fremdsein und –bleiben. Es gibt gemeinsame Interessen einiger der „Gruppen“, es gibt spezifische Bedarfe und auch gegenläufige Ziele. Manchmal entstand die Gemeinschaft gewollt und geplant entschieden, wie die Zusammenschlüsse von Lesben und Schwulen in den 1990ern, unter anderem mit dem Ziel der 2017 erreichten Eheöffnung. Andere kommen eher von „Außen“, durch die undifferenzierte Vermengung der verschiedenen Personengruppen. Dass unsere Interessengruppen auch in sich nicht so „gleichartig“ sind, wie es die kategorische Benennung suggeriert, kommt noch dazu. Plus: spätestens seit der Verbindung der sexuellen Orientierungen mit den geschlechtlichen Identitäten sind die vertretenen Gruppen auch nicht so kategorisch getrennt, sondern verschränkt und überschneiden sich durchaus!
Im Queeren Netzwerk Niedersachsen haben wir uns bereits in der kurzfristigen Erweiterung vom Schwulen Forum Niedersachsen (SFN) Ende 2013 für eine quotierte, repräsentative Zusammensetzung im Vorstand mit anfangs 3 und inzwischen 4 Sammelbegriffen entschieden (inter, trans*, lesbisch, schwul). Das war auch einer Synchronisation mit den Entwicklungen im Landeshaushalt für die Projektfördermittel geschuldet, die im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung verwaltet werden und deren Vergabe vom QNN koordiniert wird. Noch wichtiger als die Benennung und Anzahl der „Kategorien“ ist die zu Grunde liegende Haltung, dass Selbstvertretung gewünscht, notwendig und eingefordert ist bei uns. Wir sind uns unserer eigenen Vielfalt und der der Unterschiede bewusst und streben eine solidarische Synergie an.
Wie gelingt angesichts der ganz verschiedenen Bedürfnisse gute Zusammenarbeit, ohne in Interessenkonflikten aufgerieben zu werden? Auch vor dem Hintergrund, dass in den Interessengruppen auch strukturelle Unterschiede vorhanden sind, in der Gesellschaft integriert und verortet zu sein oder marginalisiert und unsichtbar zu bleiben? Privilegien sind nicht abzulegen, können wir sie also aktiv nutzen oder zum Beispiel durch Widmung und Quotierung weitergeben?
Das haben wir in unserer QNN-Strukturentwicklung 2016/17 intensiv bearbeitet und mit dem QNN-Selbstverständnis ausformuliert. Trotzdem ist so ein Leitbild kein Selbstläufer und keine Garantie, dass es gelingt. Wir brauchen auch eine solidarische Kultur und Kompetenzen im Alliiertsein:
- Wissen um die Situationen „der Anderen“ und ein empathisches oder ethisches eigenes Anknüpfen daran.
- Reflektion der eigenen Situation in Bezug auf Ressourcen und Privilegien und die Fähigkeit, sie nutzbringend einzusetzen.
- Einen guten Aushandlungsprozess für Prioritäten und Gewichtungen, oft erst im Rahmen längerfristiger Strategien sinnvoll erreichbar.
Inhaltliche Angebote, um das eigene Wissen zu erweitern, machen beispielsweise die queeren Zentren und CSDs. Auch das Internet ist voller Quellen und wir legen Dir und euch allen den persönlichen Kontakt ans Herz. Zuhören ist einer der besten Schlüssel zum Alltag anderer Menschen.
Die Aushandlungsprozesse in Bezug auf die Landespolitik entwickeln wir im Vorstand und in den QNN-Netzwerken weiter – hier braucht es immer konkrete Lösungen für die jeweiligen Teams und Gruppen, die im Que(e)rschnitt arbeiten wollen. Nutzt dazu gerne die Werkstattwochenenden für Teams & Gruppen in der Akademie Waldschlösschen.
Bleibt noch die Reflektion für das eigene Handeln und über die eigenen Ressourcen. In der Seminarplanung mit der Akademie Waldschlösschen für das Jahr 2019 haben wir darum diesem Teil des Aliiertseins einen Schwerpunkt gewidmet, dem Umgang mit Ressourcen und Privilegien, Möglichkeiten und Hindernissen in der Zusammenarbeit: „Alliiertsein als und für LSTBIQ*“ als bis zu 3‑teilige Weiterbildung im Ehrenamt.
Vom 1. bis 3. Juni gibt es einen Grundkurs, um das Alliiertsein und sich selbst in der eigenen, persönlichen Position kennenzulernen. „Was bedeutet es eigentlich, alliiert zu sein und zu handeln und welche Konsequenzen hat das für mich, was ändert sich eventuell dadurch für mich?“
Anfang September folgen zwei Workshops, die zu zwei verschiedenen Perspektiven in die praktische Anwendung gehen:
- einmal ausgehend von der Position derjenigen, die über einen „Raum“ (vom Zentrum bis zum gemeinsamen CSD-Projekt) bereits entscheiden können und gerne mehr Selbstvertretung erreichen wollen.
- zum zweiten ausgehend von der Position derjenigen, die gerne in einer bestehenden Struktur aktiv wären, die von einer anderen als der eigenen Kultur geprägt ist und wie das geht, ohne dabei durch Anpassungsdruck oder auch aufgrund ständig nötiger Sensibilisierungsarbeit „auszubrennen“.
Das Seminar und die Workshops sind kostenfrei für Teilnehmende aus Niedersachsen, da sie aus Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gefördert sind. Weitere Infos und Anmeldung unter www.waldschloesschen.org/alliiertsein