Die “Toilettenfrage”…
Gedanken um die Sanitärräume für Menschen mit einer Variante der geschlechtlichen Merkmale in Schulen
Lucie Veith, Schortens-Grafschaft | Mandat Bund und Länder im Bundesverband Intersexuelle Menschen e.V.
Es ist ein guter Schritt, sich nun endlich mit dem Thema Sanitärräume für alle Menschen und im Besonderen mit der Situation am Lernort Schule zu befassen. Seit dem 1.1.2019 gilt bundesweit: wir haben einen weiteren Personenstand: „DIVERS“, eine weitere Eintragungsmöglichkeit im Geburtenbuch. Eltern können wählen, wie Ihr Kind mit einer Variante der geschlechtlichen Entwicklung eingetragen wird. Die Frage ob dieser Personenstand „neuartige“ Kinder in die Schulen bringt, ist klar zu verneinen. Kinder mit besonderen Varianten der geschlechtlichen Entwicklung hat es wie Kinder mit besonderen Schutzbedürfnissen immer gegeben.
Kinder die mit einem intergeschlechtlichen Potenzial waren immer schon Teil der geschlechtlichen Realitäten. Traurig ist, dass der Blick auf deren möglichen Ängste und Bedürfnisse erst einer Bundesverfassungsgerichtsentscheidung und einer weiteren Eintragungsmöglichkeit im Personen-standsregister bedurft haben. Angstfrei und diskriminierungsarm einen Umkleideraum, eine Dusche oder eine Toilette vorzufinden ohne dies begründen zu müssen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein für jeden Menschen und stellt ein Grundbedürfnis dar.
Die Gründe, warum ein Kind eine sanitäre Gruppenanlage nicht betreten kann oder will kann vielfältige Ursachen haben: eine besondere geschlechtliche Entwicklung (sogenannte intersexuelle oder auch intergeschlechtliche Kinder), eine besondere Selbstwahrnehmungen und Geschlechtsidentität( sogenannte Trans*-Kinder), gewaltsame Übergriffe (Kinder mit Gewalterfahrungen, auch sexueller), extreme Schamgrenzen(kulturell oder , erhöhter Assistenzbedarf( Mobilität eingeschränkt, Inkontinenz… ). Viele intergeschlechtliche Kinder wurden/werden geschlechtlich zugewiesen, sie erfahren zu Ihrer „Besonderheit“ Gewalt in der Medizin“, werden häufig auch heute noch unsensibel mit einem Schweigegebot belegt, was zu einer erhöhten Schamgrenze führt. Neuste Studien zeigen, dass es 2016 mehr als 2200 Operationen an den Genitalien von Kindern gegeben hat.
Für all diese Kinder sollten Sanitärräume vorgehalten werden, die nicht durch eine „Erklär-dich- Barriere — Warum gehst du nicht dahin, wo alle anderen hingehen.“ behindert und belastet werden. Es sollte also ein Sanitärraum sein, der frei zugänglich ist, sauber ist und abgeschlossen und abschließbar – barrierefrei – inklusiv- ist — für alle. Das Gleiche gilt auch für die Personaltoilette.
Die Toilette für alle ohne Barriere
Inklusive Sanitärräume für Schüler/Lehrer mit und ohne erhöhtem Assistenzbedarf, mit und ohne Rollstuhl sind geräumig und mit ausreichender Ablagefläche zu gestalten. In diesen Sanitärräumen ist eine Bewegungsfläche von 150 cm x 150 cm sichern, um Rollstuhlbenutzern eine Richtungsänderung zu ermöglichen.
Es wird empfohlen, in Sanitärräumen und Umkleideräumen eine Liege, bzw. Klappliege für mobilitätseingeschränkte Benutzer vorzusehen. Bei der Dimensionierung des Raumes ist eine Stellfläche für die Liege von 180 cm Länge, 90 cm Breite und 46 — 48 cm Höhe sowie eine Bewegungsfläche vor der Liege von 150 cm Tiefe zu planen. Entlang von Umkleideschränken ist eine 120 cm breite Bewegungsfläche vorzusehen.
Vor Sanitärobjekten, die von Rollstuhlfahrern genutzt werden, sind Bewegungsflächen von 150 cm x 150 cm erforderlich. Diese Bewegungsflächen dürfen sich überschneiden.
Vorwandinstallationen sind mit Wandverstärkern zu versehen, um Waschtisch und WC bei Bedarf höhenverstellbar und diversen Stützgriffe und Haltegriffe am WC, Waschtisch und im Duschbereich problemlos anordnen zu können. Für ein wandhängendes WC, welches Rollstuhlfahrer benutzen, ist eine Standfläche von 40 cm x 70 cm einzuplanen. An beiden Seiten des WCs ist eine Bewegungsfläche von 90 cm x 70 cm vorzusehen. Ggf. sind körpergerechte Einbauhöhen für Sanitärobjekte festzulegen.
Personenstand und geschlechtliche Merkmale
Beschreiben unwissende Menschen intergeschlechtlich geborene Kinder, dann entsteht oft etwas Monströses und Beängstigendes, in jedem Fall Ungewöhnliches oder Überforderndes. Die Ängste, die dies auslöst, sind meistens unbegründet. Viele intergeschlechtliche Kinder entwickeln eine Geschlechtsidentität, in der sie sich klar männlich oder weiblich einstufen und selbstverständlich die Gruppensanitäranlagen des jeweiligen Geschlechts nutzen. Dies sollte auch bei Vorhandensein „untypischer“ Geschlechtsmerkmale nicht zu einem Zwangsouting führen. Es sollte diesen Kindern nicht verwehrt werden, eine Jungen- oder Mädchentoilette aufzusuchen.
Auch ein Personenstand „divers“ oder „offen“ oder „männlich“ / „weiblich“ sagt wenig aus über
1. die körperliche Geschlechtlichkeit
2. die Selbstwahrnehmung und die Gruppenzugehörigkeit
3. die Schutzbedürftigkeit in schulischen Sanitärräumen.
Aufgabe des öffentlichen Raumes Schule ist es einen diskriminierungsarmen Rahmen zu schaffen und allen Menschen dort eine Teilhabe zu ermöglichen. Übergangsweise kann dies erreicht werden in dem eine Einzelkabinentoilette zur Toilette für alle markiert wird.