Niedersachsen wählt am 09. Oktober 2022 einen neuen Landtag!
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter*, nicht-binäre, pansexuelle, asexuelle, … – in einem Wort – queere Menschen sind selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft.
Auch wird der Bevölkerungsanteil der Menschen, die sich als queer bezeichnen, immer größer. Definieren sich in der Generation Babyboomer (geb. vor 1964) noch weniger als 1% als „transgender, nicht-binär, nonconforming, genderfluid oder divers“, sind es bereits 4% der Generation Z (geb. nach 1997). Gleiches gilt für die sexuelle Orientierung. 87% der Babyboomer bezeichnen sich als ausschließlich heterosexuell, wohingegen dies nur noch 68% der Generation Z tun. Fast jede*r Fünfte der unter 24-Jährigen identifiziert sich als „homo‑, bi‑, pan‑, omni‑, oder asexuell“ (Freudenthal, 2021).
Dennoch gehören Erfahrungen von Diskriminierung und Gewalt zum Alltag vieler queerer Personen. Im Bildungsbereich, in der Familie, im Gesundheitswesen, auf der Arbeit und im öffentlichen Raum. Auch in Niedersachsen. Es bedarf daher gleicher Rechte für alle Menschen und eine Politik, die queere Themen im Querschnitt mitdenkt.
Im Vorfeld der der niedersächsischen Landtagswahl am 9. Oktober 2022, hat das QNN daher seine Mitgliedsorganisationen nach ihren queerpolitischen Forderungen befragt und die Ergebnisse in die folgenden Querschnittsthemenfelder zusammengefasst. Zusammen ergeben sie einen Überblick, welche Maßnahmen es seitens der neuen Landesregierung bedarf, um eine gesellschaftliche Gleichstellung queerer Personen in Niedersachsen zu fördern.
Für ihren Input bedanken wir uns sehr herzlich bei unseren Mitgliedsorganisationen aus der Selbsthilfe, aus den queeren Zentren, aus den Beratungsangeboten, aus den queeren Gruppen im ländlichen Raum, usw.
Zusammen fordern wir einen queerpolitischen Aufbruch für Niedersachsen!
Das Queere Netzwerk Niedersachsen (QNN), als der Landes- und Fachverband der queeren Initiativen, Gruppen und Vereine in Niedersachsen, veröffentlicht daher mit dieser Broschüre queerpolitische Forderungen zur niedersächsischen Landtagswahl am 9. Oktober 2022.
Zusammengefasst in Querschnittsthemen geben sie einen Überblick, welcher Maßnahmen es seitens der neuen Landesregierung bedarf, um eine gesellschaftliche Gleichstellung queerer Personen in Niedersachsen zu fördern.
Das QNN fordert:
- Ergänzung von Artikel 3 der niedersächsischen Verfassung, um das Merkmal der sexuellen und geschlechtlichen Identität.
- Akzeptanz und diskriminierungsfreie Teilhabe von queeren Menschen als Querschnittsaufgabe in allen Ministerien und Verwaltungsbehörden etablieren.
- Institutionalisierte Förderung der landesweiten queeren Selbstorganisationen und Interessensvertretungen.
- Bedarfsgerechte Finanzierung regionaler queerer Angebote.
- Erweiterung des NDR-Rundfunkrates um einen queeren Vertretungssitz.
Das QNN fordert:
- Implementierung eines Diversity-Managements und ‑Monitoring im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen.
- Durchführung einer Wirkungsforschung zum Stand der bisher ergriffenen AGG-Maßnahmen im öffentlichen Dienst.
- Beseitigung rechtlicher Ungleichbehandlungen und Überprüfung von Regelungen nach den Vorgaben des Gleichbehandlungsgebots und des Diskriminierungsverbots.
Das QNN fordert:
- Finanzierung eines flächendeckenden professionellen Beratungsangebotes, insbesondere für trans* und inter* Menschen.
- Fortbildungen für Regelberatungsstrukturen in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, um eine diskriminierungsarme Erst- und Verweisberatung zu ermöglichen.
- Erhöhte Projektförderung von Selbsthilfegruppen und Peer-to-Peer Beratungsangeboten.
Das QNN fordert:
- Schulrechtliche Vorgaben zum sensiblen Umgang mit trans*, inter* und nicht-binären Schüler*innen im Sinne einer selbstbestimmten geschlechtlichen Identitätsentwicklung.
- Ausbau der Förderung der Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit von SCHLAU Niedersachsen.
- Förderung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Schulen und Lehrkräfte zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, wie z.B. das Projekt ‚Schule der Vielfalt* Niedersachsen‘.
- Verankerung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als Querschnittsthemen in den Lehrplänen, sowie in der Aus- und Weiterbildung pädagogischer Berufe.
- Schulformübergreifende Empfehlungen zum geschlechtersensiblen Sprachgebrauch in Lehrmaterialien, sowie im Schriftverkehr und amtlichen Dokumenten.
Das QNN fordert:
- Ergänzung der Curricula in Fort- und Weiterbildungen für medizinische Fach- und Pflegekräfte zu den Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.
- Sicherstellung eines flächendeckenden Zugangs zu einer queersensiblen Gesundheitsversorgung und geschlechtsangleichenden Maßnahmen, insbesondere im ländlichen Raum.
- Konsequente und landesweite Umsetzung des Gesetzes zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (1631e BGB) und damit keine Eingriffe ohne informierte Einwilligung der intergeschlechtlichen Personen selbst.
Das QNN fordert:
- Erweiterung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz (NGG) auf alle Geschlechter.
- Landesweite Vorgaben zur Gleichstellung aller Geschlechter in der kommunalen Gleichstellungspolitik.
- Landesweite Empfehlungen für einen gendergerechten Sprachgebrauch in Verwaltung und Behörden.
- Schaffung von genderneutralen sanitären Anlagen in öffentlichen Gebäuden.
Das QNN fordert:
- Landesweite Förderung und Ausbau der Empowerment- und Unterstützungsstrukturen für queere Kinder und Jugendliche.
- Informations- und Fortbildungsangebote für alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.
- Unterstützung der Reform des aktuellen Abstammungsrechtes im Sinne der Kinderrechte zur Akzeptanz der geschlechtlichen Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen.
Das QNN fordert:
- Einrichtung einer Projektfachstelle zur Unterstützung und Beratung von queeren Geflüchteten, Migrant*innen und deren Selbstorganisationen.
- Etablierung von sicheren Erstaufnahmestellen und Unterkünften für queere Geflüchtete und Schulungen für Mitarbeitende.
- Förderung von Projekten für queere Geflüchtete und queerer migrantischer Selbstorganisationen.
Das QNN fordert:
- Queere Vertretungssitze in allen relevanten gesellschaftlichen Gremien, wie z.B. Senior*innen‑, Integrations- und Rundfunkräten.
- Durchgehende Repräsentation queerer Menschen in der Öffentlichkeitsarbeit der niedersächsischen Landesregierung.
- Änderung des Niedersächsischen Wappengesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen, um das Hissen von queeren Flaggen vor öffentlichen Gebäuden zu ermöglichen.
Das QNN fordert:
- Einrichtung einer landesweiten Projektfachstelle zur Sensibilisierung, Beratung und Schulung von Institutionen der Altenpflege.
- Förderung von selbstbestimmten queeren Wohnkonzepten im Alter.
- Inklusion queersensibler Inhalte in die Curricula der Ausbildung und des Studiums der Pflege und Pflegewissenschaft.
- Aufnahme von Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in die Alters- und Pflegeforschung.
Das QNN fordert:
- Einrichtung einer zivilgesellschaftlichen Anlauf- und Beratungsstelle für die Opfer von queerfeindlicher Hasskriminalität und Mobbing.
- Schulungen für Bedienstete der Polizei zu den Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.
- Eine LSBTIQ* Ansprechperson in jeder Polizeiinspektion.
- Schulungen von Personal in Justizbehörden über die aktuellen gesetzlichen Grundlagen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.
- Anerkennung des dgti-Ergänzungsausweis in sämtlichen niedersächsischen Behörden und Institutionen.
Das QNN fordert:
- Aufbau eines landesweiten Beratungs- und Unterstützungsangebotes für Regenbogenfamilien und queere Menschen mit Kinderwunsch.
- Schulungen zum Thema Regenbogenfamilien für Mitarbeiter*innen in Jugendämtern.
- Gleichstellung von queeren Paaren bei der finanziellen Beihilfe des Landes Niedersachsen zur Realisierung des Kinderwunsches.
Das QNN fordert:
- Konsequente Umsetzung der Empfehlungen der ‚Bremer Erklärung‘ der Sportministerkonferenz in Niedersachsen.
- Förderung von Maßnahmen und Projekten zur Akzeptanzsteigerung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Breitensport in Niedersachsen.