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Fachtag „Geschlecht­liche Vielfalt in der Gesund­heits­ver­sorgung“

Nach einem Jahr inten­siver Planungs­arbeit war es am 23.04.2022 endlich so weit: Rund 30 Teilneh­mende haben sich zum Fachtag „Geschlecht­liche Vielfalt in der Gesund­heits­ver­sorgung” im Bildungs- und Veran­stal­tungs­zentrum des Klinikums Braun­schweig einge­funden. Der Fachtag war eine Koope­ration von Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V. (IMeV), der Koordi­na­ti­ons­stelle LSBTI der Stadt Braun­schweig, dem Verein für Sexuelle Emanzi­pation, SCHLAU Braun­schweig sowie der Landes­fach­stelle Trans* und der Landes­ko­or­di­nation Inter* im Queeren Netzwerk Nieder­sachsen. Dank der Bandbreite der Organi­sie­renden gelang es, verschiedene Themen der TIN-Gesund­heits­ver­sorgung mit einschlä­gigen Referie­renden zu disku­tieren. Der Fokus lag auf der Sensi­bi­li­sierung für trans* und nicht-binäre, sowie für inter* Belange in der Gesund­heits­ver­sorgung. Einge­laden waren Personen aus dem medizi­ni­schen und Gesund­heits­be­reich, z.B. Therapeut*innen, Ärzt*innen und Krankenhaussozialarbeiter*innen. Insbe­sondere dieser inter­dis­zi­plinäre Austausch machte die Veran­staltung zu einem vollen Erfolg! 

 

Das Programm wurde mit Grußworten von Charlotte Wunn, erste*r Vorsitzende*r von IMeV, Heiger Scholz, Staats­se­kretär des Nieder­säch­si­schen Minis­te­riums für Soziales, Gesundheit und Gleich­stellung sowie Martin Klock­gether, Fachbe­reichs­leiter Gesundheit und Soziales der Stadt Braun­schweig, eröffnet. Den thema­ti­schen Einstieg gab Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg mit einer Keynote zur Frage, was Geschlecht eigentlich ist und wie die Situation von trans*, inter* und nicht-binären Personen in Deutschland derzeit aussieht. Hierbei stellte er zu einem die biolo­gische Realität geschlecht­licher Vielfalt in den Vorder­grund, legte aber auch dar, dass trans*, inter* und nicht-binäre Menschen mit starken gesell­schaft­lichen Wider­ständen konfron­tiert sind. Vor allem in Bezug auf die hohen Raten von Selbst­ver­letzung und Suizid(versuchen) formu­liert Voß die Frage „Wie kann eine Gesell­schaft sich weiter­ent­wi­ckeln, damit auch trans* und inter* Personen sich vorstellen können in ihr zu leben?“. 

 

Ursula Rosen, zweite Vorsit­zende von IMeV und Robin Ivy Osterkamp von der Landes­fach­stelle Trans* im QNN widmeten sich der Frage, ob ein Paradig­men­wechsel in der Betrachtung von geschlecht­licher Vielfalt in der Gesund­heits­ver­sorgung abzusehen ist oder sogar schon statt­findet. Dazu stellten sie aktuelle Studien und Projekte vor die sich der Gesundheit von trans*, inter* und nicht-binären Menschen widmen. Hierbei fiel der Blick auf die gesell­schaftlich steigende Akzeptanz von trans*, inter* und nicht-binären Personen, aber auch auf den Abbau der Patho­lo­gi­sierung in Form von libera­leren Leitlinien, Verän­de­rungen von Bezeich­nungen sowie Reeva­luation der Behand­lungs­be­dürf­tigkeit. Leider mangelt es in vielen Bereichen der Gesund­heits­ver­sorgung noch immer an Wissen von und über trans*, inter* und nicht-binäre Personen. Dadurch entstehen lange Reisen zu Spezialist*innen, Warte­zeiten sowie Druck und Ablehnung in allen Bereichen des Gesund­heits­systems. Das führt dazu, dass sich diese Menschen in medizi­ni­schen Kontexten nicht sicher fühlen und sie meiden. Diese Vermei­dungs­stra­tegie bezahlen viele trans*, inter* und nicht-binären Menschen mit ihrer Gesundheit. Die Unsicher­heiten und Grenz­ver­let­zungen im Gesund­heits­system schil­derten Charlotte Wunn, Robin Ivy Osterkamp und Anjo Kumst von IMev in persön­lichen Erfah­rungs­be­richten. Leider ist die Medizin weiterhin oft binär gedacht und alles was nicht in diese engen Defini­tionen passt, wird schnell patho­lo­gi­siert und soll normiert werden. Deshalb fällt das Plädoyer eindeutig aus:  Mediziner*innen müssen Menschen in ihrer Indivi­dua­lität, ihren Bedürf­nissen und Wissen über den eigenen Körper ernst nehmen. 

 

Nach einer Mittags­pause gingen die Teilneh­menden in zwei Workshop­p­hasen, in denen sie die Chance hatten, sich in sechs verschie­denen Workshops weiter­zu­bilden. In diesen Workshops ging es bspw. um den adäquaten Umgang mit jungen trans* und inter* Personen, mit Eltern von inter­ge­schlecht­lichen Kindern, queeren Schwan­ger­schaften aber auch um die sexuelle Gesundheit von trans*, inter* und nicht-binären Menschen. In einer abschlie­ßenden Podiums­dis­kussion disku­tierten die Referie­renden zur Frage: “Was brauchen wir für eine ideale Gesund­heits­ver­sorgung von trans*, inter* und nicht-binären Menschen?”. Fazit war, dass wir stets zweigleisig fahren müssen: Auf der einen Seite müssen mit Regeln, Verord­nungen, Leitlinien und Gesetzen trans*, inter* und nicht-binäre Menschen geschützt werden. Aber das alleine genügt nicht, sondern es braucht einen umfas­senden Sinnes­wandel mit einer Entpa­tho­lo­gi­sierung, sowie ein weiteres Streiten um gesell­schaft­liche Akzeptanz.  

 

In den nächsten Wochen wird eine ausführ­liche Dokumen­tation des Fachtages folgen. 

 

Die Veran­staltung wurde von der BARMER, dem Verein Nieder­säch­si­scher Bildungs­in­itia­tiven, Inter­ge­schlecht­liche Menschen e.V., dem Queeren Netzwerk Nieder­sachsen e.V. und vom Nieder­säch­si­schen Minis­terium für Soziales, Gesundheit und Gleich­stellung gefördert. 

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